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Gedichte
Der Rauch der Opfer
Ein Frauenbuch zum Kriege 1916
Eleonore
Kalkowska
____________________________________
Den bangenden Frauen
und den trauernden Frauen
zu eigen
Aber leise, kaum
daß wir es selber wissen,
Beginnt
uns das Atmen nun Freude zu spenden,
Und
wir sitzen in Sonne, gekost von den linden
Jung-Frühlingswinden,
Wie
von lieben, vertrauten, trostreichen Händen;
Und
die Seele beginnt leis ihr Segel zu hissen,
Ganz
schüchtern, und läßt sich zur Hoffnung tragen
Von
den heiligen Erdauferstehungstagen.
Und
die Sonne strömt Glut:
In
die junge Birke, die Weide, die Kastanie, die Linde,
In
die Vögel und ihre leis zirpende Brut,
Und
in unsrer Adern blasses Gewinde.
Und
die Erde läßt ihren Saft strotzend steigen
In
den Gräsern, den Stämmen, den Ästen und Zweigen,
Und
die Pflanzen können den Saft nicht mehr halten,
Sie
brechen auf:
In
farbigen Blumen von tausend Gestalten.
Ganz
sacht schließt in uns der Schmerz seine Lider,
Und
in der Menschenpflanze ragenden Schaft
Strömt
herauf der heilige Erdensaft,
Strömt
die Sonne hernieder.
Und
uns durchrieselt ein seliger Schauer —
Weltatem
strömt durch uns und trägt uns weit fort,
Und
es eint sich mit dem All unser Sein, unsre Trauer
Zum
vollen Akkord.
zurück
Frühling lockert
Zärtlichkeiten
Jung und
stark, in unsren Seelen,
Und sie
drängen in die Weite,
Und sie
flattern scheu umher —
Vögel,
die ihr Nest verfehlen.
Und
in unsren Händen wachsen
Liebkosungen
ungezählt,
Langgestielte
zarte Nelken,
Und
verwelken —
Blumen,
denen Sonne fehlt.
Jung
und stark erwacht ein Strahlen
Manchmal
doch in unserm Blick,
Und
zerschellt jeh an den Klippen
Schwarzen
Nichts. Und sinkt zurück
In
sich selbst. Und unsre Lippen
Beben
manchmal, zucken manchmal,
So
als ob sie küssen müßten . . .
Und
erstarren, schamverworren,
Und
verdorren —
Mitten
in des Frühlings Glück.
zurück
Ach, daß du
wieder da bist. Dieses
Eine –
Und
ist doch alles – unserm Mund entquillt
Wie
sprudelnd Wasser, wie die erste Blume
Nach
Regen dem verdürstenden Gefild.
Im
schmalen Brunnen ruht ein klares Wasser,
Die
ganze große Sonne hat drin Platz,
So
unser tausendstrahlig Glückumfangen
In
diesem einzigen kurzen Freudensatz:
Ach,
daß du wieder da bist!
zurück
Sommer kam,
die Fenster aufzureißen,
Und
die Zimmer sind nun voll von weißen,
Schlanken
Flügeln, wie bereit
Aufzufliegen
in die heiße,
Sonnenfrohe
Sommerszeit!
Warmes
Leben quillt durch harte Quadern,
Und
ein jedes Haus
Ist
nur eine der unzähligen Adern,
Von
dem gleichen Blut durchbraust;
Und
wir selbst sind kleine, blasse Venen,
Die
sich heiß dem Puls entgegensehnen.
Und
der Vögel zage Liebsbitte
Und
die Hast und Last beschwerter Schritte,
Duft
und Windessäuseln in den Blättern,
Bange
Frage, frohes Siegesschmettern,
Ein
verirrtes Wort, ein Trambahnschwirren,
Ein
erinnerungschmerzlich Sporenklirren —
Und
der Duft der üppigen, verfrühten
Sommerblüten
Sinkt
in unser selbstversunknes Brüten . . .
Und
dort fern in dämmergrünen Weiten,
Tief
von Gärten eingesponnen,
Ganz
versonnen,
Tanzt
mit leichtem Schwung ein Bogen
Auf
den sanft gespannten Saiten
Seiner
Geige . . .
Schluchzend
kommt das Lied gezogen,
Taumelt
durch der Stunde Leere,
Wiegt
am Wege Blüte, Beere,
Jedes
Blatt am Baum . . .
Nimmt
uns auf in seinen Reigen,
Und
wir fliegen, und wir steigen,
—
Frei von aller Erdenschwere,
Von
dem blutigen Daseinstraum —
Sonnenstäubchen,
durch den Raum.
zurück
In der
Sommerabendluft,
Sind
die Stimmen alle weich,
Klangbeschwingt
und faltergleich,
Und
sie taumeln , wie der Duft
Aus
den schwerbeblühten Zweigen,
Durch
die Nacht in leichtem Reigen . . .
Stimme
spricht der Stimme: „flieg!“
Und
versunken ist der Krieg.
Taubeperlt,
taubeschwert
Und
von einem matten Glanze,
Wie
die Blätter, die zum Tanze
Heiß
der Abendwind begehrt,
Sind
die Augen, sind die Stimmen,
Sorge,
Tag und Krieg verschwimmen
In
der Ferne, in der Nacht . . .
Von
Balkonen, Bänken, Gärten
Flirrt
das Plaudern sonnensatt . . .
Plötzlich,
einer Stimme Kreischen,
Wie
gebieterisches Heischen:
„Kriegszeitung
und Abendblatt!“
In
den Augen ein Erhärten,
Und
die Stimmen – scharfe Gerten –
Zucken,
schwirren durch die Stadt.
zurück
Die Trauerfenster
gefallener Recken
Als
Grabgirlande durchs Land sich erstrecken
Wir gehn
durch der Straßen gedehnte Trichter,
—
Ist es
nicht seltsam, wie Enge zur Weite wird —
Um
uns fallen und steigen Gesichter,
Taumeln
verirrt . . .
Und
wir gehn ziellos, gleich Blättern, gleich Herbstwind-
verwehten,
Wir
gehen mit kurzen und harten Schritten,
Als
könnten das Zuviel, das wir gelitten,
Wir
von uns fort, in die Erde, treten.
Und
uns ist, als müßt irgendwo dahinten
Schutz,
Ruhe, Anhalt und Ende liegen,
Dort
fern, wo gleich Freunden, gleich wohlgesinnten,
Die
Häuser sich dicht aneinanderschmiegen.
Und
wir gehen scheu, gedrückt an die Mauerwände,
Doch
der Raum und die Leere vor uns ohne Ende . . .
Und
der Blick klimmt bis hoch an die Häuserränder.
Trauer
haben viel Fenster angelegt,
Der
Gardinen frohe Windtanzgewänder
Hat
der große Sturm mit sich fortgefegt,
Und
den schwarzen Raum kommt kein Antlitz zu modeln,
Düster
starrt er hinein in der Straße Brodeln;
Die
Trauerfenster gefallener Recken
Als
Grabgirlande durchs Land sich erstrecken.
Aber
hier und da fängt mit roten Zetteln
Das
Leben frech an, um den Vorrang zu betteln,
Und
die feiste Schrift drauf schreit laut: Zu vermieten!
Und
von ihrem rechtmäßigen Platze verdrängt,
Hat
die Trauer sich in die Straße gesenkt,
Kommt
mit schüchterner Geste sich uns zu bieten,
Und
wir nehmen die fremde Trauer noch mit.
zurück
Eine ist —
ihre kindlich
zarte Gestalt
Ist
vom Witwenkleid und Schleier umwallt,
Ihre
Lippen sind rot, zuckend und schmal,
Wie
ein Wundrand, den jäh ein Dolchstoß gerissen,
Doch
bebt manchmal um sie eines Lächelns Strahl,
Wie
bei Kindern, die um ein Geheimnis wissen.
Ihre
Augen sind ganz durchsichtig und klar,
Wie
ausgewaschen vom vielen Weinen,
Und
man sieht durch sie durch, alles Hehles bar
Ihre
Seele scheinen,
Und
zu unterst, tief leuchtend, liegt auf dem Grund
Das
gleiche Lächeln wie um den Mund.
Als er
tödlich
verwundet lag, frugen sie ihn
Nach
seinem Wunsche. – „Ein Blatt!“ – Und er schrieb
— O des heiligen Quells,
der die Kraft ihm
geliehn —
Fünf
Worte: „Ich hab dich so lieb“ . . .
Seinem
Zettel des Hauptmanns Brief war gesellt,
Worte
wie Geigenton zart:
„Gut,
tüchtig, lieb und brav“ und „Andenken bewahrt“
Und
ein Trompetenstoß drunter: „ein Held!“
Und
als sie den ersten Schmerz von sich geweint,
Stieg
ein Lächeln empor und verblieb,
Und
nun flüstert’s und schlucht’s und oft jubelt
es gar:
„Ein
Held und hatte mich lieb!“
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