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04.2
Gedichte
Joseph
Roth
aus:
Werke 2 - Politische Lyrik
Späte
Mahnung an Quidde
Was
fängst du dir mit Generalen an?!
Mußt
du Gesinnung just dem Seeckt verraten?!
Kennst
du schon keinen klügern Adressaten,
mit
dem man ungeniert korrespondieren kann?! . . .
Mit
Argumenten kommt man keinem General,
mit
Argumenten kommt man nur Gehirnen --
du
kennst den Unterschied - und mußtest doch erzürnen
des
Vaterlandes Waffenarsenal?
Und
weshalb - mußtest du schon ehrlich sein -
läßt
du dich denn sofort nach München treiben?!
Der
„Welt am Montag“ kannst du alles schreiben,
die
deutsche Welt am Dienstag sperrt dich ein!
In
München übt ein General Justiz,
die
Staatsanwälte tragen dort Monturen,
ein
Pazifist in München ist „verluren“,
ein
Kopf in München ist direkt ein Witz!
Es
meidet Bayern, wer kein Rassemaul,
und
bleibt am liebsten an der Spree Gewässer -
oder
er sattelt - was bestimmt noch besser -
den
Auslandspaß und seinen Reisegaul
und
flieht aus dieser Republik, erschöpft
vom
Anblick der gefüllten Kerkerhallen -
genießt
den Sekt, des Pfropfen harmlos knallen -
und
wird - obschon ein Kopf - doch nicht geköpft.
Josephus
Lachen
links, 4.4.1924
zurück
Ritter
Meuchelmord
Das
ist der Ritter Meuchelmord
mit
dem zerbrochenen Ehrenwort,
das
Großmaul voller Niedertracht,
das
eure Leiden kalt verlacht!
Das
ist der Lump, der alle Feind'
aufs
neue gegen Deutschland eint.
Eh'
ihr dies Untier nicht gefällt,
wird
niemals Frieden auf der Welt!
Wer
hat uns in Montur gepreßt
und
unsre Opferstirn betreßt
mit
Troddeln, Totenköpfen,
und
mit Manschettenknöpfen?
Wer
tränkte uns im Bad aus Stahl
von
Celsiusgraden ohne Zahl?
Der
Kaiser und der General,
der
Junker und das Kapital,
der
Priester und der Fabrikant,
Professor
mit dem Burschenband - -
der
Krämer, der im Laden stand,
Profite
zog vom Hinterland,
und
noch einmal und noch einmal:
der
Kaiser und der General!
Wer
war der Trommler Komm-nur-mit,
der
bleich an unsrer Seite schritt?
Er
paukte leis, er paukte laut
auf
einer toten Menschenhaut - -
wer
hat den Trommler kommandiert
und
ihn mit Kreuzen tapeziert?
Der
Kaiser und der General,
der
Junker und das Kapital,
die
Zeitung mit dem Extrablatt,
das
unser Weh besungen hat,
der
Doktor mit dem Burschenband,
der
Priester und der Fabrikant -und
noch
einmal und noch einmal:
der
Kaiser und der General!
Wer
stampft aus unserm Fleisch und Blut
den
Dünger für sein Rentengut?
Und
wer kassiert den Restbetrag
vom
Vierundzwanzigstundentag ?
Wer
pflanzt den goldnen Zepterstab
auf
unser Proletariergrab?
Der
Kaiser und der General,
der
Journalist, das Kapital,
Bankier,
Professor, Burschenband
und
Priester, Junker, Fabrikant - --
und
noch einmal und noch einmal und noch einmal:
der
Kaiser und der General!
Lachen
links, 18.4. 1924
zurück
Deutsche Elendsreime
Für
wilde Kaiser Schlachten schlagen,
das
können wir -
uns
ist die Arbeit von Zwölfstundentagen
nur
ein Pläsier –
das
Hungertuch, an dem wir nagen,
ist
aus Papier. –
Das
nimmt der Stinnes für die Zeitung
uns
auch noch fort -
denn
für die Weltkriegszubereitung
braucht
man das Wort -
dann
lesen wir die theoretische Ausarbeitung
über
den Mord. –
Dann
kommt es in die Orte, die zu nennen
nicht
delikat,
hierauf
verkauft man uns, nach chemischem Durchbrennen,
damit
man was zum Essen hat,
was
wir als unser altes Hungertuch erkennen. - -
So
wird man satt.
Josephus
Lachen
links, 18.4. 1924
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Kommentar zu Kant
Wohin
ich blicke, starrt mir sehr fatal
und
kategorisch hartes Muß entgegen -
auf
Warnungstafeln an des Lebens Wegen
malten
es Professoren der Moral.
Mich
führt die strengste der Philosophien
gefesselt
an dem harten Gängelbande
der
Sittlichkeit und in dem Zwangsgewande
der
gottgewollten Disziplin.
Rechts
ein Befehl und links ist ein Verbot,
hinten
die Pflicht in Exerziermarschtritten,
zwei
Professoren - ich in ihrer Mitten -
und
vor mir - sittlich unvermeidlich - harrt der Tod.
Und
wie sich meine praktische Vernunft auch wehrt –
die
Reine schickt mich in die Unterwelten:
Denn
philosophisch kann mein Ich nicht gelten,
sobald
es, seiend, die Moral versehrt.
Der
Galgen
wächst abstrakt - und wurzelt dennoch tief -
und
wird von Henkern praktisch angewendet:
So
mancher dachte, der an ihm geendet:
Der
Galgen, scheint mir, ist ein Imperativ!
Vergeblich
heb' ich meine Beterhand
zum
Himmel- dort, als sittlich harter Wille,
sitzt
Gott und liest durch eine Weisheitsbrille
zweihundert
Jahre schon ausschließlich Kant.
Josephus
Lachen
links, 18.4. 1924
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