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Gedichte
Erich Toller

Das Schwalbenbuch
Seite 7







Lockende Laute zwitschert die
Schwälbin




Ei, Schwälbchen,
Was Du nicht kannst!

Zaghaft und mutig doch
Steigt eins
Auf die Borden des Nestes,
Hebt zierlich sein Schwänzchen . . .
Klacks!
Hats sein Werk vollbracht,
Putzt sich
Den kleinen Popo
Mit gesträubten Flügeln,
Und eilig, erhobenen Kopfes,
Stolz wie ein Russenzar
Kriechts in sein Nest zurück.






Sah schreiten ein Mädchen
Im Weizenfeld.
Leuchtet ihr rotes Tuch,
Rotes Tuch, rotes Tuch
Oder ihr Herz

Sang fern eine Drossel
Im Fliederbusch.
Klang wie ein Liebeslied,
Liebeslied, Liebeslied
Oder auch Spott

Ein Sommer noch
Zwei Sommer noch,
Trallalala, Trallalala





Drohte Gefahr, klagen würde die Schwälbin
Mit schrillem Pfeifen
Den Winden ihre dumpfe Angst.
Vom Fenster zum Nest, vom Nest zum Fenster
Fliegt sie gelassen.
Im Neste hocken,
Eins sich kauernd ans andere,
Die Jungen.
Über den Nestrand
Lugen die Köpfe,
Beugen sich vor, ducken zurück, wiegen sich rhythmisch
Im Takte mütterlichen Flugs.
Streichen der Schwälbin Flügel
Das wärmende Nest,
Recken sie schreiende Schnäbel,
Zärtlicher Wartung gewöhnt.
Aber gleich in ernstem Besinnen
Verstummen sie,
Und in kindlichen Augen wird wach
Ein seltsames Leuchten.


Lockende Laute zwitschert die Schwälbin,
Verweilend.

     
O köstliches Wunder!
      Krabbelt ein Junges hervor,
      Spreitet die winzigen Flügel . . .
      Erhebt sich . . .
      Fliegt,
      Fliegt
      Schwankend und dennoch voll Anmut,
      Leiht seiner Angst
      Die zierliche Geste edler Gesittung,
      Setzt sich, klopfenden Herzens,
      Neben die glückliche Mutter.


     
Mit Lob und leckeren Bissen
      Verwöhnen die Eltern
      Das mutige Junge.

      Die im Neste
      Erheben Geschimpf und Geschelt.






Auf den nahen Dachfirst fliegt das tapfere Junge.
Neugierig beguckts die Welt.
Beguckt zum erstenmal die Welt.
Freunde, ich sehe mit ihm zum erstenmal die Welt.
Da sitzt mein Schwälbchen. Über sich die leuchtende,
wärmende Sonne, unter sich die blühende, atmende Erde.
Die Blumen, die Bäume, die Dachziegel,
Die fernen Wälder, die Telegraphendrähte,
Alle alle beugten grüßend
Die schweigenden Häupter.





Es rauschen die reifenden Ähren
Auch mir dem Gefangnen.
Es wölbt sich des Sommers blauender Himmel
Auch diesem gestorbenen Hof.

Ich atme
Im Mittag süßer Beglückung.

Erde! Geliebte!




Vom mutigen Jungen lernen die Geschwister.
Wie es mit schöner Geduld ihnen hilft!

Und noch ein paar Tage später tummeln sich
Draußen Alte und Junge.

In heiteren Spielen lernen die Jungen des Fluges
Festliche Kunst . . .

Abends kehrten sie nicht mehr heim.







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