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04.3
Märchen der
Völker
Stefan
Mart
Bobby Box
Sechstes Abenteuer
- Gefahrenzone
Amerikanische
Bildergeschichte
Bobby
Box hatte festgestellt, daß man nicht unbedingt arm sein muß, um Verse
machen zu können. Der "1000 Dollar" reiche Poet hatte, während er
darauflos marschierte, schwärmerisch gedichtet, und die Muse der
Dichtkunst, die in seinem Geiste nur wie Marygold aussehen konnte,
hatte ihn oft geküßt. Durch romantische Kakteenhaine führte ihn nun
sein Weg. Die stachelige Opuntia in ihren grotesken Formen wirkte sich
in seiner Phantasie zu wunderlichen Gebilden aus und die Säulenkakteen,
die in ihrer aufstrebenden Gestaltung wie mächtige Orgelpfeifen
emporragten, gaben zu den sonderbarsten Sinnestäuschungen Anlaß. Er
hörte brausende Akkorde vom Himmelsgewölbe widerhallen und sah zu
dieser mächtigen Musik die turmhohen Gewächse wie in einem bengalischen
Feuerwerk aufleuchten. Doch er wußte nicht, wie ihm geschah; alles das
war plötzlich verschwunden, - er stand auf einmal in einer endlosen
Wildnis. Grüne und blaue Blitze zersplitterten in der Ferne ein
Felsengebirge und triumphierend rollte dazu der Donner. Es roch nach
Quarz und Ozon. Bei jedem Blitz entluden sich aus dem Innern des Poeten
die verborgensten Energien, die ihm gleich farbigen Strahlen aus Nase,
Mund und Ohren leuchteten. Bobby
war völlig irritiert. - Weithin hörbar dröhnte der Erdboden von einer
flüchtenden wilden Büffelherde. Als Bobby sich erschrocken umsah, nahm
ihm ein Windstoß seinen schönen Melonenhut und trug ihn ein Stückchen
fort. Der Dichter eilte hinterher; doch er traute seinen Augen nicht -
sein Hut hatte plötzlich Beine bekommen und sprang vor ihm in hohen
Sätzen davon. Schnell hatte Bobby den Ausreißer mit seinem Stockgriff
erfaßt und sah nun, daß im Hute ein großer Ochsenfrosch saß, der
schrecklich quakte und zappelte. Nun fing es ringsherum und von allen
Seiten an zu quaken; Bobby bemerkte jetzt, daß die ganze Ebene voller
Ochsenfrösche saß, die alle ihre glotzenden Augen nach einer Richtung
gekehrt hatten und sich das Gewitter anschauten. Seine Kopfbedeckung
war also auf eine solche Kröte gefallen. Bobby lachte. Sein Lachen aber
erstarb auf seinen Lippen - die Büffelherde war umgekehrt und der
Leitstier so groß wie ein Berg, wälzte sich auf ihn zu.
Das
war eine schwierige Situation; jetzt hieß es: "Bobby, steh deinen
Mann!" Der Dichter aber dachte sich blitzschnell: "Mit flinken,
sprunghaften Versen müßte man diesem unförmigen und behaarten
Plumpudding zu Leibe rücken können!" Mit einem Satz war er hinten am
Schwanzende des Büffels und schlug ihm mit seinem Stock feste was
hinten vor. Der Koloß rollte mit den Augen und drehte sich schnaubend
nach Bobby um. Der aber hielt sich hinten an der Quaste fest, prügelte
immer weiter und dichtete dazu. Nun begann ein Kreiseldrehen, als ob
ein Hund sich in den Schwanz beißen möchte.
Ein
Stierkampf wie in Spanien
Mit
List und auch Schikanien.
Ich
treib' das Tier im Kreis herum,
Das
wird im Kopf ganz schwindeldumm.
(Die
Kampfmethode ist von mir.)
Torero
- Sieg! Es liegt der Stier!
Dem
Büffel war so schwindelig geworden, daß er sich in den Sand legte und
seinen gewaltigen Kopf hin und her schüttelte. Bobby bückte sich und
griff nach Hut und Reisetasche. Dabei zeigte er so schön den Podex, daß
der Büffel nicht widerstehen konnte; er sprang auf und gab Bobby einen
tüchtigen Puff. Fffffff - unk! Das war von dem Bullen eine
Rekordleistung.
Bobby
verspürte in den Ohren ein Sausen - er flog hoch hinauf auf ein
Berg-Plateau. Obgleich dem Dichter das Sausen noch lange in Kopf und
Ohren lag, nahm er sich doch Muße, die
weite und herrliche
Felsenlandschaft zu betrachten. Ein Hungergefühl machte sich bei ihm
bemerkbar. Er steckte ein kleines Feuer an und entnahm seiner
Reisetasche, was er sich von Brack Bell mitgenommen hatte. Herzhaft biß
er in ein lederhartes Stück Rindfleisch und schaute dabei gedankenvoll
in den aufsteigenden Mond. -
Herzhaft?
-
Herzhaft
- ist ein Geheimnis nur.
Kennst
du das kleine Wort ,Amour'?
O,
Wunder über Wunder!
Mein
Herz flammt auf wie Zunder.
Am
Firmament- dort in den Fernen
Steht
'Marygold' in Mond und Sternen!
Lange
noch saß Bobby in den Anblick des großen Mondes versunken, der ihm wie
in einem traumhaften Spiegelbild Marygolds Gesicht zeigte. Dann schlief
er von Müdigkeit überwältigt ein. Hatte
er seine Augen nicht geschlossen? Unten in der Ebene sah er die
Büffelherde sich in soldatischer
Formation aufstellen. Der Leitstier
machte seinen Tieren vor, wie man sich im Kreise dreht, und die ganze
Herde machte es ihm in rasender Geschwindigkeit nach. Durch das viele
Drehen wirbelte der Staub auf und verdichtete sich zuletzt zu einer
Wolke, die die ganze Herde unsichtbar machte. Bobby drehte sich auf die
andere Seite und legte einen Arm fest über seine Augen. Jetzt lenkte
ihn nichts mehr ab, und er hoffte, so schlafen zu können. Aber seine
Ohren hörten nun schärfer und
sogen allerhand Geräusche und Stimmen in
sich ein. Er hörte das ferne Brummen eines Grislybären, das Ratteln
einer Klapperschlange, hörte einen Iltis scharren und kratzen. Doch das
gemächliche Schlagen riesiger Raubvogelschwingen in der Luft, das er
deutlich vernahm; ließ ihn erschrocken hochfahren. Bobby riß die Augen
auf, sah aber statt eines Vogels eine schwarze zerrissene Wolke, die im
Begriffe war, den Mond zu verdunkeln. Sie hatte die Gestalt des
finsteren Mr. Jim, der gen Osten eilte. Deutlich sah Bobby vor der
hellen Mondscheibe die wohlbekannte krumme Habichtsnase.
Schnell
war Bobby auf den Beinen; eine dunkle Ahnung beschlich ihn. Seiner
Marygold drohte Gefahr - er mußte, ohne zu säumen, ihr zu Hilfe eilen.
-
Er schloß seine Reisetasche und bemerkte nicht,
daß die listige
Klapperschlange, deren Ratteln er im Halbschlaf gehört, sich
hineingeschlichen hatte und nun zwischen den sieben Sachen
zusammengerollt und verborgen lag.
Der
Morgen dämmerte - ein dünner Rauchfaden stieg aus dem verglimmenden
Feuer - Bobby eilte davon. Drei Indianer in Kriegsausrüstung mit Bogen,
Messer, Tomahawk schlichen ihm auf unhörbaren Sohlen nach
zick-zuck-zack! Auf engen, steilen Pfaden zog der ahnungslose Bobby nun
durch zerklüftete Schluchten. Wie Katzen blieben die Indianer dem
Bleichgesicht auf den Fersen. - Kein Laut unterbrach die feierliche
Stille. Die Welt hielt Feiertag! Bobby empfand es in seiner dankbaren
Dichterbrust:
O,
schöner Frieden der Natur -
Ach,
wenn wir Menschen friedlich nur,
Dann
. . .
Zuck!
- ein vergifteter Pfeil saß dem Dichter in seiner Melone. Bobby kam
nicht dahinter, was es gewesen war - ein Stein? ein Vogel? Er drehte
sich um, horchte und guckte - kein Mensch, kein Vogel war zu sehen.
Erledigt! Bobby ging weiter und wieder regte ihn dieses und jenes an,
Verse zu schmieden:
Romantisch
- dieser Wasserfall!
So
etwas gibt's nicht überall.
Sieh,
wie die Blumenaugen lachen!
Man
könnt' vor Freuden Sprünge machen.
Inzwischen
hatten die Indianer Umklammerungspolitik getrieben. Zickzuck-zack! Der
dritte war an einer Felskuppe hinauf und über Bobbys Kopf hinweg
geklettert. Die
Rothäute
hatten den jungen Mann in der Mitte. Einer der beiden hinter ihm erhob
jetzt seinen Tomahawk und schleuderte ihn - zack! - hinterrücks gegen
Bobby. Der aber bückte sich gerade in diesem Augenblick, um ein paar
Blumen zu pflücken. Das scharfe
Beil sauste über Bobby hinweg und saß
dem dritten Indianer, der vorn aus seinem Felsspalt hervorlugte, mitten
in der Stirn. Er fiel lautlos in sein Versteck zurück und war sofort
tot. Bobby hatte von alledem nichts bemerkt, steckte die Blumen in
seinen Westenausschnitt und ging weiter. Aber der enge Pfad hörte auf,
er stand mit einem Male vor einem tiefen, gähnenden Abgrund. In seiner
Bestürzung hörte Bobby nicht, daß - zick! - ein zweiter Tomahawk in den
Bügel seiner Reisetasche schlug und dort festsaß. Er fühlte vielmehr
seinen Puls heftig schlagen und mußte sich einige Sekunden
verschnaufen. Bald zog ein mächtiges, längliches Felsstück, das - ihm
linker Hand - hoch an der Wand gelehnt stand, seine Aufmerksamkeit an.
Bobbys Erfindungsgabe wurde wach. Er nahm sich vor, mit diesem Stein
eine comfortable Brücke zu bauen. Schon klemmte sich Bobby dazwischen
und drückte ihn von der Wand ab; - knarrrrrrks! ! - die zweite Rothaut,
die unter dem Felsblock auf der Lauer lag, wurde breit gedrückt und
konnte ihren Todesruf erst in den Gefilden ihrer Väter ausstoßen. Der
Stein war sonst richtig gefallen und erreichte als Stützpunkt - wenn
auch nur knapp - die
gegenüberliegende Felspartie. Vorsichtig schickte
sich Bobby an, die Brücke zu betreten; es bröckelte hier und da und
rutschte, aber Bobby machte sich ganz leicht. Hinter
ihm, voll Blutdurst und voll Rachgier, nahm ihn jetzt der letzte
Indianer aufs Visier. Er war die "hakenschwänzige Schlange", ein
Häuptling vom Donners- berg. Sein Adlerblick zeigte unumwunden, daß
diese
Minuten entscheidend sein sollten, daß er das freche Bleichgesicht
fassen und dem Marterpfahl übergeben wollte. Mit einem Jaguarsprung
setzte er dem Dichter nach, der schon mitten auf der Brücke war. Da der
Stein bedenklich rutschte, machte
Bobby
schnellentschlossen einen
letzten Sprung und war drüben. Durch diesen Umstand sprang der Indianer
zu kurz, die Brücke wich und sauste mit ihm in den klaftertiefen
Schlund. Das Skalpmesser war des Häuptlings Hand entglitten und flog
spiralenförmig in Bobbys Rockschlippchen, wo es
hübsch sitzen blieb. -
Alle
drei Indianer waren tot, ohne daß Bobby die drohende große Gefahr
geahnt hätte. So wenig er diese erkannt hatte, so wenig wußte er auch,
daß ihm ein vergifteter Pfeil im Hute, ein Tomahawk im Kofferbügel und
ein Skalpmesser im Rockschoß saß. Er wußte auch nicht, daß er statt der
1000 Dollar, die ja Marygold in Verwahrung hatte, eine Klapperschlange
in seiner Handtasche trug. Wir werden sehen, welch' vielerlei Nutzen
ihm diese Dinge noch bringen.
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